Bei meinen intensiven Gedankengängen habe ich mir natürlich erst einmal überlegt, in welchem Zusammenhang ich Gleichberechtigung überhaupt sehe: Frauen und Männer, Mitarbeiter und Chefs, Frauen und Frauen, Handtaschen und Rucksäcke... Und da fiel mir plötzlich etwas ein. Vor einer ganzen Weile hat ein ehemaliger Kollege einmal eine interne Mitarbeiter-Hierarchie erstellt. Natürlich nur als Spaß, aber es steckte doch eine Prise Ernst dahinter. Seine Reihenfolge sah von wichtig bis unwichtig wie folgt aus: Männer, Männer in Vollzeit, Männer in Teilzeit, Frauen in Vollzeit, Frauen in Teilzeit, Auszubildende.
Gleichberechtigung im Unternehmen ist nicht Selbstverständlich!
Weil ich in meinen jungen Jahren nun auch schon eine ganze Weile arbeiten gehe, musste ich ihm leider in mancher Hinsicht durchaus Recht geben. Gleichberechtigung ist innerhalb eines Unternehmens keine Selbstverständlichkeit. Und dabei spreche ich aktuell nicht von einer Frauen-quote im oberen Management. Dies betrifft immerhin nicht sehr viele von uns in ihrem täglichen Arbeitsleben. Ich spreche davon, dass immer noch auf - in meinen Augen veraltete - Denkweisen wert gelegt wird. Der Chef hat immer Recht, die männlichen Kollegen halten eine Kollegin, die Ihnen widerspricht, für zickig und der Azubi ist vor-rangig für die niederen Aufgaben zuständig.
Keine Angst vor Vorgesetzten!
Technisch betrachtet entwickeln wir uns beinahe täglich weiter, Stillstand ist keine Option, ein neues iPhone sollte mindestens jedes halbe Jahr erscheinen. Aber zwischenmenschlich befinden wir uns oft noch in der Steinzeit. Woher kommt dieses Denken, dass man ehrfurchtsvoll vor einem Doktortitel oder einer Führungskraft innehält? Ich tue das nicht und zwar aus einem ganz bestimmten Grund. Respekt hat erst einmal jeder verdient und beeindruckt bin ich von einem Titel oder einer Position schon dreimal nicht. Wenn ich zum Beispiel bei der Arbeit mitbekam, dass man in belustigtem Ton den Azubi losschickte, um den lästigen Abwasch im Pausenraum zu erledigen, hätte ich kotzen können, um das mal so deutlich zu sagen. Welcher „niedriger gestellte“ Mensch erledigt denn bei diesen Leuten den Abwasch zu Hause? Einen jungen Menschen auszubilden heißt für mich nicht, dass man ihn mit Freude die Aufgaben erledigen lässt, auf die sonst keiner Lust hat, nur damit man laut tönen kann, wie hart man es selbst als Lehrling hatte. Gleichberechtigung hat seinen Platz nicht nur zwischen Männern und Frauen verdient, sondern auch zwischen Auszubildenden, Mitarbeitern und Vorgesetzten. Hier arbeiten Personen zusammen, die alle am Ende des Tages „nur“ Menschen sind, definieren aber, dass wenige unter ihnen grundsätzlich mehr Wichtigkeit besitzen, im Zweifelsfall immer Recht haben und damit Fehler und Aufgaben bequem auf andere abwälzen können.
Unzufriedenheit & Unmotiviertheit.
Sorgt diese Art der Ungleichheit nicht einfach nur für ein riesiges Maß an Unzufriedenheit und Unmotiviertheit? Wie soll sich so bitte ein Unternehmen weiterentwickeln? Ich lache nicht aus Höflichkeit über Scherze von Vorgesetzten, ich grüße jede Person im Haus mit der gleichen Nettigkeit und halte jeden einzelnen in der Firma für genauso wichtig wie Vorgesetzte. Jeder einzelne erfüllt schließlich einen Teil, um das große Ganze am Laufen zu halten. Und wer dies versteht und lebt, der hat in meinen Augen einen wichtigen Teil von Gleichberechtigung verstanden.
Ach ja, und zum Thema Gleichberechtigung von Handtaschen und Rucksäcken. Die gibt es nicht. Wird es nie geben. Immer nur Handtaschen. Vielleicht hat er deswegen gelacht?
Text: Stefanie Lehnert